Ein Kinotipp
Samstagnachmittag, ein trüber Dezembertag. Ich sitze im Kino und freue mich auf den Film „Alphabet“ von Erwin Wagenhofer.
Der Film des Regisseurs gehört zu einer Reihe von 3 gesellschaftskritischen Filmen nach „We Feed the World“ und „Lets Make Money“. Er hinterfragt das Bildungssystem und Lernen an Schulen in China und Deutschland. Was läuft falsch in einer Gesellschaft, die immer mehr durch krisenhafte Entwicklungen gekennzeichnet ist? Gleich zu Beginn zeigt Wagenhofer Schüler in China, erzählt von ihrem Tagesablauf, dem Konkurrenzdruck durch regelmäßige Prüfungen und Olympiaden, dem Stellenwert einer guten Bildung für chinesische Eltern, die sehr viel Geld in die Ausbildung ihrer Kinder investieren. China gehört beim Pisa-Test immer zu den Spitzenreitern. Kann es deshalb auch ein Vorbild für uns sein? Wo genau liegt der Nutzen der OECD-Studie? Die Bilder des Films sprechen für sich und vermitteln mir einen beklemmenden Eindruck.
Ganz anders geht es mir dann, wenn Arno Stern seinen „Malort“ in Paris vorstellt. Er fördert mit seinem Angebot das spielerische Ausdrucksmalen von Kindern und Erwachsenen. Hier wird niemand bewertet und es wird nichts vorgemacht. Jeder, der in den „Malort“ kommt, darf frei gestalten und erleben, dass diese Form des Malens wohltuend für die Seele ist. Arno Stern archiviert alle Zeichnungen seit Ende des 2. Weltkrieges und wertet sie für seine Forschungszwecke aus. Er berichtet von Veränderungen in den Bildern der Kinder, die er in den letzten 15 Jahren beobachtet hat und die ihm Sorge machen. Auch sein Sohn, Andre Stern, wird vorgestellt, er hat nie eine Schule besucht. Diese Entscheidung haben seine Eltern ganz bewusst getroffen, um ihm ein selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen. Sie gehen davon aus, dass jedes Kind dann am Besten lernt, wenn es sich aus eigener Motivation mit einem Thema auseinandersetzen will. Liebe und Vertrauen als Grundlage des Lernens, statt Druck und Angst. Was für eine wunderbare Vorstellung!
Das sind stellvertretend zwei Beispiele aus dem Film, die gegensätzlicher nicht sein können. Es kommen noch weitere Bildungsexperten und andere Menschen zu Wort. Sie alle regen mit ihren Aussagen zum Nachdenken an und fordern zum Teil eine radikale Wende im Bildungssystem und in der Gesellschaft. Das wird verständlich, nicht zuletzt durch eine Studie, die die Fähigkeiten von Kindern zum kreativen Denken untersucht hat. Sie zeigt, dass 98% aller Kinder hochbegabt auf die Welt kommen. Im Erwachsenenalter sind es nur noch 2%! Es stellt sich die Frage: Was ist inzwischen passiert? Woran liegt es, dass unsere kreativen Fähigkeiten (und hier ist nicht das Malen alleine gemeint, sondern eine kreative, schöpferische Auseinandersetzung mit der Welt) im Laufe des Erwachsenwerdens verkümmern? Ich denke, es lohnt sich über die Fragen des Films nachzudenken und sich für eine Veränderung des bisherigen Bildungssystems zu engagieren. Mich hat „Alphabet“ sehr berührt und ich möchte ihn deshalb weiterempfehlen.
Der Link zum Film: www.alphabet-film.com
1 Kommentar
paulhoepner
20. Dezember 2013Toller Tip! Sehenswerter Film …