Spielerische Kreativität entwickeln
Zwei arbeitsreiche Monate liegen hinter mir. Ich war in Köln und Dresden und habe Fortbildungen gegeben. Das Thema lautete „Ästhetische Bildung in der frühen Kindheit“. Ich freute mich sehr auf diese Tage und fuhr mit einem bis unters Dach beladenen Auto los!
Ästhetische Bildungsprozesse sind eng mit Sinneswahrnehmungen verknüpft. Was brauchen Kinder in der frühen Kindheit, um vielfältige Erfahrungen sammeln zu können? Picasso war es, der zu bedenken gab: „Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist nur, wie man ein Künstler bleiben kann, wenn man größer wird.“
Was ist überhaupt Kunst? Was verstehen wir unter Kreativität? Was passiert mit uns im Laufe des Lebens, dass unsere künstlerischen Fähigkeiten verkümmern und wir glauben, nicht kreativ zu sein? Der gedankliche Austausch zu diesen Fragen und das freie Experimentieren mit kreativen Medien wechseln von Einheit zu Einheit.
Der Tag beginnt mit einem Wahrnehmungsspaziergang und dem Sammeln von Farben in der Natur, jede für sich. Zurückgekommen im Raum werden die mitgebrachten Schätze in einem Farbkreis geordnet. Das große Staunen über die Vielfalt an Farben, die die Natur für uns bereithält, lädt alle zu einem munteren Austausch ein. „Wo hast du denn diese tolle Blüte gefunden?“ fragt eine Frau ihre Nachbarin.
Im zweiten Schritt werden dann Farben aus Lebensmitteln hergestellt. Rezepte für Mehlfarbe und Quarkfarbe sind schnell verteilt. Die Farbträger müssen gekocht oder kalt angerührt werden. Gläser mit Farbpigmenten stehen zum Einfärben des Farbgrundes bereit. Mineralien, von den Ockerfelsen bei Roussillon in der Provence, Rote Bete Saft, Lebensmittelfarben aus dem Supermarkt, Fingerfarbe und verschiedene Gewürze sind dafür sehr gut geeignet, denn kleine Kinder nehmen gern alles in den Mund. Deshalb müssen die Farben ungiftig sein. Das Mischen ist ein spannender Prozess, denn manche Substanzen färben eher pastellig, andere stark deckend. Danach beginnen die Teilnehmerinnen mit Händen, Kinderbesen, Deorollern und Schwämmen die Farbmischung aufs Papier zu bringen. Sich diesem Farbauftrag hinzugeben, nichts Gegenständliches zu malen, ist nicht einfach für Erwachsene.
Immer wieder möchten Einzelne Blumen, Spiralen und andere Formen gestalten. Doch der Auftrag an die Teilnehmerinnen lautet, sich auf die Ebene der 1-2 Jährigen zu begeben, auf die bewusste Wahrnehmung der Konsistenz der Farben und den Kontakt mit dem Nachbarn zu achten. Die meisten Erzieherinnen tauchen ein in diesen Prozess, sind begeistert. Manche eher verhalten bis skeptisch. Sie mögen es nicht, die Farbe mit den Fingern zu berühren. Dann muss der Pinsel oder die Malerrolle her. Gespräche untereinander ergeben, dass sich genau diese Beobachtungen auch bei den Kindern machen lassen. Es kommt die Frage auf: Wie gehe ich als Erzieherin auf die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder ein? Stelle ich ihnen ausreichend Freiraum fürs Experimentieren zur Verfügung? Antworten auf diese Fragen lassen sich leichter finden, wenn ich bereit bin, mich selbst auf diese spielerische Ebene des Ausprobierens zu begeben. Freude zu empfinden am schöpferischen Tun, mich auf Prozesse einzulassen, statt Ergebnisse zu fokussieren.
Wenn es gelingt, die Teilnehmerinnen zu ermutigen, die eigene Arbeit kritisch zu betrachten, sich miteinander auszutauschen, die anderen an den eigenen Erfahrungen teilhaben zu lassen und mit neuen Ideen nachhause zu gehen, dann sind die Fortbildungstage für mich gelungen.